Test: sonible smart:EQ 3

Die etwas zerzauste Ehefrau fängt ihren unerwartet heimkehrenden Gatten an der Haustür ab und versteckt hastig, gerade noch rechtzeitig, einen Vibrator hinter ihrem Rücken. Der Mann wirkt sichtlich niedergeschlagen und begrüßt seine Frau mit trauriger Miene: ‚Stell Dir vor, Schatz, ich wurde auf der Arbeit durch eine Maschine ersetzt!‘ Dieser etwas ‚spezielle‘ Einstieg in den Themenkomplex ‚Machine Learning‘ und ‚Künstliche Intelligenz‘ soll der Vorstellung den Schrecken nehmen, wir alle könnten demnächst unseren Job an einen Roboter verlieren. Vom sich verselbstständigenden Automaten als bedrohliche Zukunftsvision sind wir (hoffentlich) noch weit entfernt und auch die im österreichischen Graz ansässige Softwareschmiede sonible muss aktuell keine feindliche Übernahme durch ein selbst erschaffenes neuronales Netzwerk befürchten. Ein bisschen meldet sich aber doch der Widerstand in mir, vielleicht in uns allen, einer Software gestalterische Aufgaben zuzugestehen, aber genau das verspricht der smart:EQ 3, sogar kanalübergreifend, leisten zu können. Wer das sonible-Produktportfolio kennt, weiß, dass sich dieser Hersteller intensiv mit lernenden Maschinen auf Softwareebene beschäftigt – in erster Linie, um den Menschen zu entlasten, nicht etwa damit, langfristig einen Rollentausch vorzubereiten.

Schon für die Entwicklung des Vorgängers smart:EQ 2 stand eine große Datenmenge als Analysebasis zur Verfügung, woraus Modelle entstanden, die eine als positiv wahrgenommene spektrale Balance zum Ziel hatten. Beim smart:EQ 3 wurde klassisches ‚Deep-Learning‘ praktiziert, auf Grundlage einer riesigen Audio-File/Sample-Datenbank, die auf ihre Klangqualität hin sorgfältig geprüft wurde. Die Ergebnisse wurden über unterschiedliche Wege künstlich ‚kaputtgemacht‘ beziehungsweise ‚verbogen‘ und in ein neuronales Netz geschickt. Dabei lernt das Netz einfach gesprochen, wie es das kaputte Signal in ein gutes Signal verwandeln kann. Wenn man das mit Tausenden von Samples und Files macht, schafft das Netz eine Generalisierung, die auch dann noch funktioniert, wenn ein Klang am Eingang erscheint, den der Algorithmus vorher noch nie ‚gesehen‘ hat. Dabei wird das Ausgangsmaterial Instrumenten-Profil-bezogen in bestimmten Frequenzbereichen kritischer oder weniger kritisch bewertet oder auf Parameterebene mit Grenzbereichen versehen. Obwohl beim smart:EQ 2 mehr ‚Vorwissen‘ implantiert wurde, liefert die Version 3 aufgrund stärkerer ‚Selbstständigkeit‘ bessere Ergebnisse. Auch komplette Mischungen können von dieser ‚Intelligenz‘ profitieren, vielleicht in der Rolle eines ‚mithörenden‘ Kollegen mit einem etwas anderen Geschmack. Es ist bestimmt ganz interessant, zum Beispiel für einen Mastering-Ingenieur, eine ‚zweite Meinung‘ zu hören, zumal Kollege KI ja ganz emotional unbeteiligt arbeitet und Vorschläge macht, auf die man möglicherweise selbst nie gekommen wäre, die man aber vielleicht doch gerne aufgreift? Und, vielleicht auch nicht ganz unwichtig – er ist nicht beleidigt, wenn man ganz andere Vorstellungen hat. An dieser Stelle kommt der gedankliche Aspekt hinzu, und das ist der eigentliche Knüller der EQ-Version 3, wie man Spektren mehrerer Kanäle aufeinander abstimmen kann, in einer dreistufigen Ebenen-Hierarchie, die Signale als ‚führend‘ oder ‚begleitend‘ einstuft und entsprechend der Bedeutung in der Mischung entzerrt.