Story: Zünglein an der Klangwaage
Um sogenanntes Vintage-Equipment ranken sich unzählige Mythen und Legenden. Ob die einstigen Kronjuwelen der analogen Aufnahmetechnik auch im Digitalzeitalter Hauptrollen übernehmen können, wird mittels echter Praxistests indes selten belegt. Ein fünfköpfiges Team aus Musik- und Tontechnikenthusiasten machte sich deswegen auf, aus der tonmeisterlichen Praxis heraus die Leistungsfähigkeit von altem Analog-Equipment zu untersuchen und in einen modernen Hybridworkflow zu integrieren.
Wer sich für Tontechnik und Musikaufnahmen interessiert, der begegnet den Namen Telefunken, Neumann, Siemens oder Nagra – um nur einige wenige zu nennen – fast zwangsläufig. Immerhin wurden mit Kondensatormikrofonen von Neumann, Bandmaschinen von Telefunken oder Vorverstärkern von Siemens wichtige Kapitel der Aufnahmegeschichte, genauer der Geschichte der professionellen Musikübertragung geschrieben. So ist es nur eine Frage relativ kurzer Zeit, dass der tontechnisch Begeisterte bei der bloßen Nennung von einem Neumann M49, eines Telefunken V72 oder einer NAGRA IV-S genüsslich mit der Zunge schnalzt, begleitet von einem wissenden Nicken, welches der Welt an sich mitteilt: ‚ÄûDas waren noch echte Schmuckstücke mit denen grandiose Aufnahmen gemacht wurden. Selbstverständlich rein analog und deswegen so überragend.‚Äú Als regelmäßiger Leser dieses Magazins ist Ihnen bestens bekannt, dass die Hersteller von aufnahmetechnischem Gerät nach wie vor vorzügliche Werkzeuge für Tonschaffende fertigen. Während die Analogtechnik die erste Wandlungsstufe nach der Signalquelle, konkret Mikrofone und Vorverstärker, immer noch dominiert, hat die Digitaltechnik in puncto Speichermedien längst triumphiert. Das rechnerbasierte Tonstudio ist der Standard in der Pro Audio-Welt, die analogen Bandmaschinen sind längst im wohlverdienten Ruhestand. Tatsächlich sah es lange so aus, als würden die einstigen Hitmaschinen lediglich von einer winzig kleinen Gruppe Tonschaffender mit ausgeprägten Nostalgie-Empfindungen gelegentlich eingesetzt. Überwiegend in einem hybriden Produktionsprozess: Zwar erfolgte die Aufnahme rein analog auf Band, spätestens das Endprodukt war aber ein digitaler Datenträger. Erst in jüngster Zeit, mit dem wiedererstarkten Interesse der Musikliebhaber an analogen Tonträgern, namentlich Vinyl-LP und Tonband, feiert die vollanaloge Musikproduktion ein bemerkenswertes, wenngleich überschaubares Comeback.