Interview: Studio Nord Bremen
Die Geschichte des Studio Nord ist auch ein klein wenig mit meinen tontechnischen Ursprüngen verbunden, was mich etwas nachdenklich und wehmütig zu Oliver Sroweleit nach Bremen fahren ließ. Bernd Steinwedel, der Besitzer des damaligen Blackfield Tonstudios, war mein erster ‚Arbeitgeber‘ und ermöglichte mir den Einstieg in die Pro-Audio-Welt, wofür ich ihm für den Rest meiner Tage dankbar bin. Bernd ging in den frühen 80er Jahren zurück in seine Heimatstadt Bremen und arbeitete bis zu seinem Tod als Ton- und Mastering-Ingenieur bei seinem Freund Wolfgang Roloff, dem Gründer des Studio Nord. Wolfgang Roloff war schon in den 60er Jahren als Künstler unter dem Pseudonym ‚Ronny‘ erfolgreich und einer der ersten Künstler, die ein eigenes Studio betrieben, um sich selbst, später auch andere sehr erfolgreiche Interpreten, bis zum fertigen Master produzieren zu können. Der wahnsinnige Erfolg als Heintje-Produzent versetzte ihn in die Lage, im Bremer Stadtteil Oberneuland den Dorfgasthof ‚Haus Niedersachsen‘ zu kaufen und zu einem Studio umbauen zu lassen, das Maßstäbe setzen sollte. Aus dem ehemaligen Tanzsaal mit Bühne wurde dank der hervorragenden Arbeit des Akustikers Heinrich W. Lüdecke ein 120 Quadratmeter großer Aufnahmeraum mit beeindruckender Deckenhöhe, in dem fortan viele erfolgreiche Aufnahmen stattfanden. Ich lernte Wolfgang Roloff schon Mitte der Siebziger Jahre kennen. Er war ein sehr liebenswürdiger, humorvoller Mann mit einer respekteinflößenden Ausstrahlung, der genau wusste, was er wollte, wie ich bei einigen Gelegenheiten selbst miterleben durfte. Im August 2011 starb er mit 81 Jahren und nur kurz darauf folgte ihm Bernd Steinwedel mit erst Mitte Sechzig im Dezember des gleichen Jahres infolge einer schweren Erkrankung.
Es war also schon ein sehr besonderer Moment für mich, die Wirkungsstätte von Wolfgang und Bernd erstmalig zu betreten. Als Bernd zurück nach Bremen ging, übernahm er zunehmend das Studiotagesgeschäft, während sich Wolfgang Roloff auf Komposition und Verwaltung konzentrierte. Bernd erarbeitete sich einen sehr guten Namen als Mastering-Ingenieur, denn das Studio betrieb seit den 70ern auch eine eigene Schallplatten-Schneidanlage, die sich infolge der Renaissance der schwarzen Scheibe noch einmal richtig drehte. Mit dem Tod der beiden Freunde blieb im Studio Nord die Zeit für einen Moment stehen, bevor sich Oliver Sroweleit und Gregor Henning mit der Familie Roloff, Frauke und Peter, den Kindern von Wolfgang Roloff, einig wurden, das Studio weiterzuführen. Nach einer Umgestaltungsphase, die das Gesicht des Studios aber nicht grundlegend veränderte, nahm das Studio Nord im Jahre 2013 den Betrieb wieder auf. Seither entstehen dort wieder Aufnahmen mit bekannten Künstlern wie Bela B., Wingenfelder, Heinz Rudolf Kunze, Jupiter Jones, Stoppok oder Fischer-Z. Oliver und Gregor betreiben jeder eine eigene Regie mit direkter Verbindung zum Aufnahmeraum. Inzwischen hat sich auch Toningenieur und Produzent Pascal El Sauaf im Gebäude an der Mühlenfeldstraße einen Arbeitsplatz eingerichtet. Wenn man das Gebäude betritt, glaubt man, Kontakt mit den eingefrorenen und wieder aufgetauten 70er Jahren aufzunehmen. Die Zeit scheint, auch in weiten Teilen tontechnisch, stehengeblieben zu sein, aber genau das gehört zum Konzept des Studio Nord Teams, klassische, analoge Aufnahmetechniken und Geräte zu pflegen und einzusetzen. Trotz der eher bescheidenen baulichen Mittel der damaligen Zeit, Ende der 60er Jahre, ist Heinrich W. Lüdecke, der im September 2010 verstarb, mit dem Aufnahmeraum ein wirkliches Meisterwerk gelungen. Der Raum ist lebendig, aber trotzdem sehr definiert und kontrolliert. Im Zusammenspiel mit der unfassbaren Mikrofonsammlung ein einmaliger Ort zum Aufnehmen, damals wie heute. Das Studio wirkt fast wie ein tontechnisches Museum, und das meine ich durchaus positiv. Die Patina der Geschichte der professionellen Audiotechnik ist überall zu spüren und ich treffe natürlich jede Menge alte Bekannte, von der abe Telefunken 24 Spur, über die MCI JH24 bis zur Otari MTR-90, eine EMT Hallplatte oder das erste Modell des Aphex Aural Exciters oder Eventide Hamonizers – überall, wo man hinsieht, historisches ‚Schwergewicht‘, das sich tatsächlich in täglichem Einsatz befindet. Ein einmaliges Stück ist sicher das Röhrenmischpult, das Peter Kohlmann für das Studio Nord entwickelte und baute – und auch dieses funktioniert und wird als ‚Klangmaschine‘ eingesetzt. Nach einem ausgiebigen Rundgang durch das Gebäude setzten wir uns auf die Couch in Ollis Regie, auf der wahrscheinlich schon einige Größen der Musik- und Studiogeschichte vor mir saßen. Ich hatte keinen richtigen Plan, wie das Gespräch verlaufen würde, also stellte ich die obligatorische Frage nach dem ‚Wie alles begann‘...