Testbericht: WesAudio ngTubeEQ

Unsere Pro-Audiowelt liebt Gegensätze. Auf der einen Seite der Luxus des Organisch-Analogen, mit jener schwer zu greifenden Magie, die bislang keine Emulation eingefangen hat. Auf der anderen Seite das Digitale – speicherbar und effizient. In jüngster Zeit mehren sich die Versuche diverser Hersteller, beides zu vereinen: echte analoge Klangapparaturen, weiterentwickelt aus den Ideologien glorifizierter Vergangenheiten, gepaart mit präziser digitaler Echtzeitkontrolle und Total Recall. Funktionalitäten, die uns bisher nur aus der virtuellen Audiowelt vertraut sind, werden zu Desideraten in der analogen Hardwareebene. Eine verheißungsvolle Zukunft, die letztlich sowohl Puristen als auch moderne Workflow-Enthusiasten überzeugen muss.

In Polen beheimatet, gehört WesAudio zu denjenigen Proaudio-Herstellern, die diesen Trend bereits seit 2010 maßgeblich mitprägen und über umfassende Vorerfahrungen verfügen. Der bullige ngTubeEQ ist ein vollanaloger Dual-Channel-Equalizer mit Automation via USB oder Ethernet und zugehöriger Plug-In-Oberfläche, zwei Röhren pro Kanal, zuschaltbaren custom-made Carnhill-Transformatoren und MS-Matrix. Das Gerät wendet sich an professionelle Nutzer, die bereit sind, in aktuelle Top-Technologien zu investieren, um sich ein strategisch relevantes Alleinstellungsmerkmal zu sichern: In den hart umkämpften heutigen Marktumgebungen kann der resultierende Qualitäts- und Effizienzvorsprung das eigene Studio signifikant nach vorne bringen. Vorausgesetzt, der Anwender weiß, was er damit anstellen kann – denn diese Geräte wollen wirklich aktiv erschlossen werden.

Design & Äußerlichkeiten

Auf 3HE im Rack bringt der ngTubeEQ stattliche neun Kilogramm Lebendgewicht auf die Waage und kommt mit einem hochwertigen USB-Kabel und einem angemessen dicken Netzkabel. Bereits beim Entnehmen aus dem robusten Karton macht er einen imposanten Eindruck. Design ist stets Geschmackssache, jedoch kann man eines konstatieren: Er wirkt imposant und hell, ja beinahe brutalistisch und doch irgendwie filigran zugleich mit seinen vielen kleinen LEDs und dem vergleichsweise kompakten OLED-Display. Der beängstigende Youtube-Trailer zur Erstveröffentlichung weist bereits stilistisch in die richtige Richtung, irgendwo zwischen Ghost In The Shell, Alita Battle Angel und Terminator. Die Verarbeitung ist makellos, hier schreit nichts nach ‚Boutique‘, Bastelarbeit und kleinen Stückzahlen, eher nach ‚Hier versteht jemand wirklich, wie man Geräte baut‘. Alle rückseitigen Anschlüsse des zweikanaligen Gerätes sind selbsterklärend: Eine Kaltgerätebuchse stellt die Stromversorgung her, jedoch muss man händisch die passende Sicherung in den manuellen Voltageselektor (115 V 60 Hz / 230 V 50 Hz) einlegen. So kennt man es von zahllosen Highend-Röhrengeräten – ein Weitbereichsschaltnetzteil wäre in einem Mastering-Equalizer ohnehin nicht wünschenswert. Danke auch dem Hersteller, einen dieser praktischen Sicherungshalter zu nutzen, der bereits eine weitere Ersatzsicherung bereithält, ein Detail, das eigentlich längst Standard sein sollte. Ein USB2- und ein RJ45-Ethernet-Anschluss (UDP-Protokoll) stellen die (optionale) Verbindung zur DAW her, wobei unbedingt darauf zu achten ist, nicht beide angeschlossen zu haben. Die beiden Audio-Ein- und Ausgänge sind ausschließlich in symmetrischen XLR-Buchsen ausgeführt und verfügen über einen Hard-Bypass, der jedoch beim vollständigen Abschalten des Gerätes leider nicht erhalten bleibt.