Interview: Eric Horstmann
Mein Gesprächspartner Eric Horstmann ist der sprichwörtliche Hans Dampf in allen Gassen. Er landete, wie so viele in dieser Branche, über die Musik in der Technik, verschaffte sich eigeninitiativ einen tiefen Einblick in die Produktion, den Studiobau, die Studio-Planung und -Installation, arbeitete für die Industrie in den Bereichen Hard- und Software und brachte es schließlich zu einem eigenen, professionell ausgestatteten und raumakustisch bis ins Detail geplanten Studio in Berlin, in dem er sich exklusiv der immersiven Musikmischung widmet. Der Grund, warum ich dieses Gespräch schon länger gerne führen wollte, war ein Vortrag, den Eric Horstmann im Rahmen des Immersive Forums bei Audio Pro in Heilbronn im letzten Herbst hielt, Dabei sprach er über seine Arbeitsweise, die mich deshalb besonders interessierte, weil mich seine 'perspektivisch-plastischen' Atmos-Mischungen extrem beeindruckten. Eric Horstmann zählt zu den frühen Pionieren der immersiven Musikproduktion in Deutschland, mit Schwerpunkt auf elektronische Musik und arbeitet aktuell für den finnischen Lautsprecherspezialisten Genelec als Regional Business Development Manager. Ich lade sie also herzlich zum nun folgenden Gespräch ein, in dem Eric über seinen vielschichtigen beruflichen Werdegang, vor allem aber über seine Vorgehensweise bei immersiven Musikmischungen in Dolby Atmos spricht…
Eric Horstmann: Ich komme ursprünglich aus Heidelberg und spielte natürlich in verschiedenen Bands, wie fast jeder, der in unserer Branche landet. Bei dieser Gelegenheit war ich einmal im Recording Studio der Stieber Twins (deutsches Hiphop-Duo. Die Red.) und konnte mich mit dem damaligen Tontechniker austauschen. Das war gegen Ende der 90er Jahre. 1999 machte ich mein Abitur und überlegte, was mein nächstes Ziel sein könnte. Zunächst wollte ich Gitarre für Jazz und Popularmusik studieren, stellte dann aber fest, dass ich viel zu schlecht bin.
Fritz Fey: Da ergeben sich bei uns gewisse Parallelen, im Unterschied zu Dir wollte ich aber nicht Gitarre studieren… (lacht)
Eric Horstmann: Ich dachte mir, dass ich ja vielleicht besser hinter den Kulissen aufgehoben bin, hatte aber keine konkrete Vorstellung, was man da macht und wie man dahinkommt. Wie der Zufall es wollte, suchten wir ein Studio, in dem wir Gesangsaufnahmen machen konnten, und so gerieten wir mit unserer Band in das Studio der Stieber Twins. Der Tontechniker des Studios verriet mir, dass es da so eine private Bildungseinrichtung gäbe, die sich SAE nennt. Ich hatte davon noch nichts gehört, fand es aber spannend. Natürlich hatte ich mich über andere Studiengänge informiert, scheiterte aber am Instrument Klavier, das Aufnahmebedingung war. 2001 zog ich also nach Berlin, um die SAE-Ausbildung anzufangen. Berlin bot als SAE-Standort die größte Entfernung zu Heidelberg, weshalb ich dort hinging und dort hängenblieb. Zunächst absolvierte ich die SAE-Ausbildung, machte aber nicht den Bachelor, weil ich eigentlich erst einmal Erfahrungen in der Branche sammeln wollte. Ich bin, wie man weiß, in der Branche geblieben und werde diesen Bachelor nicht nachholen. Nach der SAE machte ich viel Filmton am Set und kam über ein Praktikum in die Trixx Studios zu Klaus Knapp. Anfang 2003 begann mein Praktikum dort, mit Peter Funke, einem sehr strengen Lehrmeister, den ich aber definitiv als meinen Mentor bezeichnen würde. Das Praktikum lief aus und ich las 2004 eine Suchanzeige für eine Stelle in der Filmpostproduktion bei Elektrofilm. Über den 'einfachen Tontechnikerweg' kam ich also zu Elektrofilm und betrieb dort zunächst die Umspielung. Ich hantierte mit allen Bandformaten, die es zu dieser Zeit noch gab, inklusive 35 mm Film, Perfobänder, Betacam und so weiter. In der Folge arbeitete ich in Projekten von Wim Wenders ('Don't Come Knocking' oder 'Pina Bausch') und vielen anderen, bis meine Zeit 2007 bei Elektrofilm endete und ich mit einigen Partnern zusammen die Firma Post Republic aufbaute, die bis heute ein erfolgreiches Postproduktions-Unternehmen geblieben ist. Es gab eine Dependance in Kreuzberg und 2009 wurde in Berlin Mitte eine Kinomischung gebaut. Ich hatte zuvor schon die gesamte technische Planung für die Postproduktion betreut, auch bildseitig, und war auch an der Planung der 7.1-Kinomischung beteiligt. Dort wurde auch die erste Euphonix System 5 Konsole in Deutschland installiert. Bis zu diesem Zeitpunkt stand Harrison noch hoch im Kurs, jedoch fanden wir das Konzept mit Eucon-Protokoll sehr reizvoll. In dieser Zeit lernte ich die Produktspezialisten von Euphonix kennen. Einer von diesen Leuten war Rich Morson, der später nochmal in meinem Werdegang eine Rolle spielen sollte. Da ich in dieser Phase ein bisschen am Ende meiner Kräfte und auch der weiteren Entwicklung war, wechselte ich zu Rotor Film nach Babelsberg. Im Zuge dessen wurde dort das so genannte Studio E umgebaut, zunächst zu einer 5.1 Kinoregie. Als ich mit Christian Lerch von Dolby darüber sprach, erzählte er mir, dass da eine neue Technologie am Horizont stehe, über die man nachdenken sollte. Das war 2011/12 und auch der Start der Dolby Amos Betaphase unter NDA. Studio E wurde also das erste Dolby Atmos Kinostudio. Post Republic hatte zur gleichen Zeit, die Kinomischung, an deren Bau ich beteiligt war, auf Dolby Atmos umgerüstet. Wir hingegen bei Rotor Film bauten das Dolby Atmos Studio von Grund auf neu. Das war auch meine erste Begegnung mit dem Akustiker Karlheinz Stegmaier und dem Architekten Benjamin Koziczinski. Ich darf für mich verbuchen, dass die beiden sich über das Projekt und mich kennengelernt haben. Auch bei Rotor Film blieb ich nicht so lange, genauer gesagt bis 2014, nachdem mich Richard Morson anrief, zu dieser Zeit dann bei Avid beschäftigt, da Avid Euphonix übernommen hatte, und meinte, er würde gerne zu Studer wechseln, ob ich nicht Lust auf seinen Job bei Avid hätte. Ich war mir gar nicht genau über die Jobbeschreibung im Klaren, aber warum nicht? 2014 arbeitete ich dann für Avid, als Application Specialist für immersive Anwendungen. Dabei blieb ich fünf Jahre, war auf allen Messen dieser Welt unterwegs zwischen Peking und Los Angeles. Ich hatte einen Kollegen bei Avid, Michael Bohlin, der Anfang 2018 zu Genelec wechselte. Mit ihm arbeitete ich die ganze Zeit über bei Avid zusammen. Er rief mich also 2018 an und meinte, man könnte mich bei Genelec gebrauchen. Ich fand Lautsprecher aber eigentlich langweilig und wollte lieber Knöpfe drehen. Im November 2018 kam ich, nachträglich betrachtet glücklicherweise, trotzdem zu Genelec und da sind wir nun in der Gegenwart angekommen. Meine Position nennt sich Regional Business Development Manager. Das ist eine sehr, sagen wir, wenig konkrete Berufsbezeichnung, irgendwo zwischen Vertrieb, Marketing, Networker und Produktspezialist.