Testbericht: Harrison 32C Mix Strip
1979 veranstaltete das Studio Magazin seinen ersten Studio-Workshop im damaligen Delta Studio in Wilster, im hohen Norden Deutschlands. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt als Freelancer viel Arbeitszeit, abgesehen von einigen ‚Ausreißern‘, an MCI JH-500 und JH-600 Mischpulten verbracht. Gelegentliche Ausflüge brachten mich an die damalige DIY-Konsole der Dierks Studios, an den Stramp-Mischer des alten Hermes Studios in Kamen, das später in einen eigens dafür gebauten Gebäudekomplex mit zwei Regien und Aufnahmeräumen umzog. Dort standen zwei Plus-30-Konsolen aus Frankreich, deren EQs ich sehr mochte. Bevor ich mich aber in alten Geschichten verzettele – im Delta Studio stand eine Harrison 3232 Konsole, die als Vorfahre der aktuell unter SSL-Regie vorgestellten 32Classic-Konsole gelten darf, dessen Derivat wiederum der hier getestete Harrison Mix Strip ist. Das Harrison von Manfred Schunke, dem damaligen Inhaber des Delta Studios, war eingebettet in eine typisch amerikanische Raumakustik und Regieraumoptik, was mir als jungem Toningenieur natürlich gefiel, da wir damals alles, was aus dem gelobten Land kam, geradezu unreflektiert mit Begeisterung feierten. Nach dem Workshop folgten für mich recht viele Produktionstermine in diesem wirklich sehr schönen Studio, das es, genau wie seinen Inhaber, leider schon lange nicht mehr gibt.
Dave Harrison, der Gründer des gleichnamigen Mischpultherstellers, gilt in verschiedenen historischen Abhandlungen als der Erfinder der Inline-Konsole, die erstmals Aufnahme- und Mix/Monitorweg in einem Kanalzug integrierte. Als Toningenieur arbeitete Dave Harrison mit Künstlern wie James Brown oder John Lee Hooker, bevor er in Nashville eine Firma gründete, die Studio Equipment verkaufte und Studios baute. Unter dem Markennamen ‚Pandora‘ stellte er schließlich eigenes Equipment her, zum Beispiel Effektgeräte, die auf Signalverzögerung basierten. Dave Harrison hatte aber, aus heutiger Sicht kurioserweise, auch die lokale MCI-Vertretung, und verkaufte zum Beispiel von MCI modifizierte Ampex-Bandmaschinen. Dave Harrison sprach mit Grover ‚Jeep‘ Harned, dem MCI-Gründer, über seine neue Mischpult-Design-Idee, die darauf basierte, den Aufnahme- und Monitor/Mix-Weg in einem Kanalzug zu vereinen und damit Mischpulte nicht nur kompakter, sondern auch flexibler und übersichtlicher zu gestalten, mit mehr Mix-Inputs auf weniger Raum. Wann dieses Gespräch tatsächlich stattgefunden hat, würde uns vielleicht final Aufschluss darüber geben, wer nun der wahre Erfinder des Inline-Konzepts ist. Dass dies eine revolutionäre Idee war, versteht man nur, wenn man weiß, dass die meisten Mischpulte dieser Epoche entweder Sonderanfertigungen waren oder einem platzraubenden Split-Design folgten, mit Aufnahme- und Monitorkanälen in getrennten Kanalzügen. Jeep Harned schien nicht weiter interessiert an dieser Idee, so dass Dave Harrison sich ermutigt fühlte, seine eigene Mischpultfirma zu gründen. So entstand 1975 die erste 3200-Harrison-Mischpultserie, die sich nicht nur durch das neuartige Inline-Design, sondern auch durch eine Logik-Schaltung auszeichnete, mit der man den kompletten Mischer auf Tastendruck in einen anderen Betriebsstatus versetzen konnte. Würden wir an dieser Stelle noch intensiver auf Zeitreise gehen, gäbe es noch sehr viel mehr über diese innovationsgetriebene Firma zu berichten, die mit der Series-Ten-Konsole das erste komplett automatisierbare Analog-Mischpult zur Marktreife brachte. Im gleichen Jahr 1975, um diesen geschichtlichen Zweig zu vervollständigen, brachte MCI seine JH-500 Konsole auf den Markt, ebenfalls mit einer Inline-Infrastruktur. Allerdings gibt es, wie schon erwähnt, abweichende geschichtliche Darstellungen, denn andere Quellen feiern den Vorgänger, die MCI JH-400 Konsole, die schon 1972 vorgestellt wurde, als erstes kommerziell verfügbares Inline-Design. Wer übrigens den Sound eines Harrison-Mischpults der 32er Serie nicht zu kennen glaubt: Abba produzierte sehr viele der Hits auf einer Harrison 3200, ebenso wurden Michael Jacksons Erfolgsalben ‚Thriller‘ und ‚Bad‘ von Bruce Swedien mit einer Harrison 3200 aufgenommen und gemischt. Für mich, der deutlich weniger prominente Künstler auf den Harrison-Reglern liegen hatte und den Sound dieses Mischpults, der Preamps, des EQs und der legendären Hoch- und Tiefpassfilter dennoch sehr liebte, stellt sich natürlich die Frage, ob sich dieses klangliche Erbe in die neue 32C Konsole und hoffentlich auch in den 32C Mix Strip übertragen hat. Das herauszufinden, war für mich ganz persönlich der interessanteste Aspekt. Meine Augenbrauen hoben sich leicht, als ich auf dem Gehäusedeckel las: ‚Engineered in Music City, USA‘ (damit ist Nashville gemeint) und ‚Assembled in China‘. Das Pult habe ich bisher noch nicht hören können, aber der Channel Strip wartet unten in meinem Studio auf mich. Ich bin total gespannt…