Testbericht: Steinberg WaveLab Pro 12

Redet man heute über ‚Vintage-Equipment‘, ist meist eine Hardware aus den Gründerjahren der Studiotechnik gemeint. Interessanterweise bekommt aber inzwischen auch Software ‚graue Schläfen‘, und nicht nur die Algorithmen, die auf altertümlichen proprietären digitalen Hardware-Plattformen liefen – als Personal Computer sich noch im Kindergarten-Status befanden und niemals als Grundlage für die Audiobearbeitung in Frage gekommen wären. Anfang 1994 begann ein gewisser Philippe Goutier, Physiker und Quantenmechaniker aus Frankreich, mit der Entwicklung von WaveLab, das eigentlich als ‚Audio-Sample-Editor‘ auf den Markt losgelassen werden sollte. In dieser Phase wurde Windows 95 als 32-Bit-Betriebssystem vorgestellt, C++ war eine zu diesem Zeitpunkt schon sehr weit verbreitete Programmiersprache und für Mastering interessierte sich noch niemand in der heute praktizierten Form. Mit der Verfügbarbarkeit von bezahlbaren CD-Brennern rückte die Chance der Musiker, eigene CDs zu veröffentlichen, plötzlich in greifbare Nähe. Und so präsentierte sich WaveLab bereits in der Version 2 als Mastering-Software, mit der man selber CDs produzieren konnte.

Für WaveLab 3 wurde der Begriff ‚Audio-Montage‘ geprägt, der bis heute in Gestalt des nicht-destruktiven Editors das Gesicht dieser Software bestimmt. Für Version 7 mussten zwölf Jahre Windows-Code transformiert werden, um WaveLab auch für macOS lauffähig zu machen. Die Entwicklung dauerte ganze vier Jahre und wurde vom WaveLab-Erfinder Philippe Goutier noch im Alleingang bewältigt – eine wahre Mammut-Aufgabe. Bis heute ist der Vater dieser überaus erfolgreichen Software an der Entwicklung seiner Schöpfung beteiligt, kann aber inzwischen auf die Unterstützung einer WaveLab-Taskforce zurückgreifen, ein speziell für dieses Produkt zusammengestelltes Entwicklerteam. WaveLab hat vor allem bei seinen letzten Versionen einen neugierigen Blick auf Marktsegmente außerhalb des Masterings geworfen und bietet inzwischen auch Funktionalität für Podcasting und Multichannel-Audio, denn auch Stereo-Mastering kommt nun so langsam in die Jahre. In diesem Beitrag beschäftigen wir uns also mit einem Software-Veteranen, der annähernd dreißig Jahre auf dem Buckel hat. Man merkt es natürlich nicht bei einem Produkt, dass sich ständig weiterentwickelt und auch optisch dem Geschmack der Zeit angepasst wird, aber die jahrzehntelange Erfahrung kann man als Anwender dennoch spüren, auch ohne großartig darüber nachzudenken. Die letzte Version ist natürlich immer die beste, weshalb Steinberg große Anstrengungen unternahm, WaveLab in der 12. Fassung besonders attraktiv zu machen. Man liest es ja überall, weshalb ich es hier auch noch einmal wiederhole: Annähernd achtzig neue Funktionen hat WaveLab 12 mit auf den Weg bekommen. Damit gilt diese Version als eines der umfangreichsten Updates in der WaveLab-Geschichte. Wir schauen uns das mal an, was natürlich bei dieser Fülle und Komplexität nur auszugsweise gelingt.